Schröder - Putin - Pakt
Der Deal des Jahrzehnts - Milliarden für Putin und Millionen für Schröder

Es gab schon vor Gerhard Schröder eine Tradition deutscher Bundeskanzler, sich nicht der Freundschaften zu Diktatoren zu schämen. Man denke z. B. an Helmut Schmidt. Gleich nach dem China-Besuch schloss er sich der Meinung der dortigen Machthaber an und gelangte zur Überzeugung, Demokratie sei für Chinesen einfach nicht die gemäße Regierungsform.
Auch Helmut Kohl zeigte sich tyrannophil. Noch 1998 - kurz vor dem Sturz des indonesischen Diktators - lobte er General Suharto als seinen persönlichen Freund.
Dabei sei erinnert, dass sich die Familie Suhartos in der Zeit der Diktatur ein Vermögen in Höhe der gesamten Staatsschulden Indonesiens zugeeignet hatte.
Auch der Kotau vor der Chinesischen Volksarmee - bekannt für ihr Massaker an Studenten auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens - fiel Kohl nicht schwer.

An diese Tradition konnte Gerhard Schröder anknüpfen. So fiel in Deutschland 2002 kaum mehr als Skandal auf, was z. B. in Zeitungen der Schweiz auf Titelseiten Beachtung fand. Da war zu lesen, Medienkanzler Gerhard Schröder habe sich den russischen Präsidenten Wladimir Putin für 7,1 Milliarden Euro in eine Talk-Show eingeladen.

Solche Urteile sind gewiss sarkastisch überspitzt, doch worum ging es wirklich?
Weshalb bekommt ein Land, das unter anderem Gold, Gas und Öl exportiert, also keinesfalls als zahlungsunfähig angesehen werden kann, 7,1 Milliarden Schulden erlassen? Und dies sogar, obwohl es sich nicht um einen Staat handelt, der im Bereich demokratischer Spielregeln im vergangenen Jahrzehnt irgendwelche Fortschritte aufweisen könnte?
Das mutete durchaus rätselhaft an. Die 7,1 Milliarden Euro sind nicht wenig. Die sogenannten "Hartz-Reformen" wurden mit der Einsparung einer geringeren Summe begründet.
Aus aktuellem Anlass lohnt es daran noch einmal zu erinnern.

Der eigentliche Skandal in den ausländischen Medien war weniger der Schuldenerlass als solcher. Zu denken gab den Kommentatoren vor allem die vollkommene Bedingungslosigkeit.
Wann schenkt schon eine Regierung Milliarden möglicher Staatseinnahmen weg ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, dem Steuerzahler zu zeigen, dass die Welt dadurch irgendwie verbessert worden sei?

Es kommt durchaus gar nicht so selten vor, dass die Schulden eines ärmeren Landes gestrichen werden, wenn der Gläubiger ohnehin nicht mehr glaubt, etwas zurückbekommen zu können. Doch üblicherweise knüpft der Partner, der zu Ungunsten seiner Steuerzahler Großzügigkeit walten lässt, wenigstens Bedingungen an die Streichung der Schulden.

Schröder hätte zum Beispiel fragen können: "Wladimir, was ist dir ein Waffenstillstand in Tschetschenien wert?" Oder harmloser: "Wie wäre es mit einer Amnestie für politische Häftlinge in Russland?"
Selbst ein beiläufig und kleinlaut geäußertes Angebot hätte - zumindest für die Medien - noch den Eindruck erwecken können, Gerhard Schröder seien Menschenrechte etwas wert. Etwa so: "Bitte Wladimir, entlasse doch wenigstens die politischen Journalisten aus den Gefängnissen, dann will ich nicht kleinlich sein bei den 7 Milliarden Euro!"
Unter lupenreinen Demokraten dürften solche offenen Worte doch nicht vollkommen ausgeschlossen sein.

Wie aber verlief der Deal wirklich?
WDR-Intendant Fritz Pleitgen schrieb die Einladung an Wladimir Putin. Er wurde für Dienstag, 9. April 2002, mit Gerhard Schröder in die Talk-Show von Alfred Biolek geladen.

Wer eine politische Sendung erwartet hatte, lag natürlich vollkommen falsch. Schon das orthodoxe Weihnachtsfest hatten die beiden Familien miteinander verbracht. - Es menschelte mächtig!
Schon im Vorfeld erklärte der verantwortliche Redakteur Klaus Michael Heinz über den Inhalt der Gespräche: "Aber eines ist klar, das wird keine politische Sendung. Vielmehr interessieren uns die Menschen Putin und Schröder."

Doch es kam noch besser: Als Sendung an historischem Ort wurde die Biolek-Talk-Show in Szene gesetzt. Die Redaktion, so erklärte Klaus Michael Heinz, habe bewusst das Nationaltheater in Weimar als Treffpunkt gewählt. In dem Gebäude traf 1919 jene Nationalversammlung zusammen, welche die erste demokratische Verfassung der deutschen Republik beschlossen hatte.
Wie sollte eine solche Ankündigung verstanden werden? Gar doch ein bisschen politisch? Ist sie gar als subtile Kritik an Putin zu verstehen, aber eben so dezent, dass sie ihn nicht brüskieren kann, weil sie ohnehin keiner bemerkt?

Im Foyer dieses geschichtsträchtigen Hauses konnte Biolek mit den Staatsmännern plaudern, Trivia, was sonst? Dabei hatten sie einen schönen Blick auf die Statuen von Goethe und Schiller.
Keine Frage, an so bedeutungsschwerem Orte verbieten sich kritische Fragen fast von selbst. Wer früge da nach politischen Häftlingen, wer zeigte sich so geschmacklos, das Wort Krieg anzusprechen, solange es nicht um klassische Dramen geht?

Sehr beiläufig vermerkten die Medien der Bundesrepublik am 11. April 2002 das Ergebnis zweitägiger Konsultationen. In der Presseerklärung des Bundesfinanzministeriums wurde vermeldet, in der gefundenen "Einigung" habe sich die russische Regierung zur Zahlung von 500 Millionen Euro verpflichtet, die binnen der nächsten zwei Jahre in Raten gezahlt werden. Im Gegenzug erhöhe Deutschland den Umfang der Hermes-Bürgschaften für den Handel mit Russland auf eine Milliarde Euro. (Hermes-Bürgschaften sichern das Risiko von Exporten nach Russland ab, d. h. im Falle der Zahlungsunfähigkeit des russischen Handelspartners erhält der deutsche Exporteur die Kosten aus Steuergeldern vergolten.)

Zur Pressekonferenz sagte Gerhard Schröder im Duktus guter Nachrichten: "Wir haben einfach eine Paketlösung gemacht." Dazu gehöre, dass ein Schadensfall aus der Hermes-Kredit-Bürgschaft in Höhe von rund 500 Millionen Euro zu Gunsten des Bundes "befriedigend gelöst" worden sei.

Deutlicher wurde die Welt: "Schröder erlässt Putin 7,1 Milliarden Euro Schulden." Die taz überschrieb das Thema lapidar mit "Peanuts für Freundschaft", und teilte mit, dass von geforderten 7,6 Milliarden Euro Russland 500 Millionen in Raten zahlen wolle.
Ferner habe Schröder Putin sogar Rückendeckung bei seiner Forderung nach Mitspracherecht in der NATO versprochen. Putin forderte die Abschaffung des Vetorechtes.

Zur Zeit schreiben viele Medien über die teuerste Unterwasserpipeline der Welt. Schon lange vor Bekanntwerden des Millionen-Jobs für Gerhard Schröder im russischen Staatsunternehmen hatte das polnische Magazin "Wprost" für das Projekt den Namen "Schröder-Putin-Pakt" geprägt.

Gemessen an dem, was wir heute wissen, nimmt sich der Sarkasmus der Schweizer Zeitung vom April 2002 geradezu naiv aus. Aber damals konnte nur eine enorm hohe Gage für einen Auftritt Putins mit Schröder in einer deutschen Talk-Show konstatiert werden.
Der einstige Bundeskanzler führte das Wort von der "privaten Altersvorsorge" schon damals oft im Munde, doch dachte man dabei an Riester und Kürzungen.
Wer hätte im Jahre 2002 schon ahnen oder wissen können, wie bedacht und weitsichtig Gerhard Schröder mit staatlichen Milliarden für private Millionen Vorsorge traf?

 
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