"Wir wollen, dass Mubarak zurücktritt"
Obwohl der ägyptische Präsident Husni Mubarak versprochen hat, eine neue Regierung einzusetzen, demonstrieren die Menschen auch am Samstag weiter. Sie wollen, dass Mubarak selbst geht.
Sturm auf Innenministerium - Tote
Das demonstrierende Volk in Ägypten hat versucht, das Innenministerium zu stürmen. Polizisten eröffneten das Feuer. Mubarak scheint nun einen Nachfolger zu installieren. Am Roten Meer machen deutsche Miss-Germany-Anwärterinnen unterdessen ein Fotoshooting.
Waffen aus Deutschland gegen friedliche Demonstranten in Ägypten
Friedensorganisationen kritisieren „aktuelle Verdoppelung der Waffenexporte an das diktatorische Regime in Ägypten“
(...) Vor allem Maschinenpistolen der Firma Heckler und Koch sind bei der ägyptischen Polizei sehr beliebt.
Waffenexporte nach Ägypten verdoppelt
Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), und die Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL) und RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) wiesen am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung darauf hin, daß die Bundesregierung 2009 die Waffenexporte nach Ägypten verdoppelte:
(...) Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, »der Weg zur Stabilität führt über die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte«. Erklärungen wie diese »wirken heuchlerisch angesichts der Tatsache, daß Deutschland zu den Hauptwaffenlieferanten der diktatorischen Machthaber in Ägypten zählt«, sagte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK und Vorsitzender des RIB e.V.. Der Freiburger Rüstungsexperte warf der Bundesregierung vor, daß sie 2009 gegenüber dem Vorjahr »mehr als eine Verdoppelung der Lieferungen von Waffen und Rüstungsgütern an Ägypten genehmigt« habe. So sei der Genehmigungswert von 33,6 Millionen Euro (2008) auf 77,5 Millionen Euro (2009) »dramatisch gesteigert worden«.
»Die Einzelgenehmigungen für ›Kleinwaffen‹ sind aufgrund der hohen Opferzahlen besonders folgenschwer«, so Jürgen Grässlin. Die für ihre rücksichtslose Vorgehensweise bekannte ägyptische Polizei verfüge über Maschinenpistolen des Typs MP5, entwickelt von Heckler & Koch in Oberndorf. Allein im Jahr 2009 habe Ägypten weitere 884 Maschinenpistolen und Bestandteile im Wert von 866037 Euro erhalten. »Die Machthaber in Kairo erhielten Teile für Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, militärische Landfahrzeuge und Kommunikationsausrüstung«, erklärte Paul Russmann, Sprecher von ORL. Insgesamt sei »Ägypten mittlerweile sogar das bedeutendste Empfängerland in der Liste der aus Deutschland belieferten Entwicklungsländer«. (...) Grässlin und Russmann forderten die Bundesregierung auf, »mit sofortiger Wirkung einen Rüstungsexportstopp gegenüber Ägypten und allen anderen menschenrechtsverletzenden Staaten zu verhängen«.
Arabischer Frühling: Willkommen in der neuen Welt
Seit 20 Jahren berichtet unser Korrespondent aus Ägypten. Aber was jetzt passiert, davon hätte er noch nicht einmal zu träumen gewagt.
Unruhen halten an: Ägyptens Elite flüchtet im Privatflieger
Der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei hat sich ungeachtet seines Hausarrests einer Demonstration gegen das Regime von Mubarak angeschlossen. Unternehmer, Diplomaten und Künstler verlassen das Land fluchtartig.
Augenzeugenbericht von Kairos Straßen: "Lasst Eure Stimme hören"
Tränengas, Gummigeschosse, brennende Autos. Auf Kairos Straßen kommt es zu heftigen Kämpfen zwischen Polizei und Demonstranten. Eine Berlinerin berichtet.
Al-Dschasira bittet um Unterstützung
Mitarbeiter von TV-Sender in Ägypten festgenommen. Augenzeugen sollen Berichterstattung ergänzen
Sechs Journalisten des arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira sind am Montag in Ägypten vorübergehend festgenommen worden. Die Journalisten des englischsprachigen Dienstes wurden kurz in Kairo festgehalten, ihre Kamera wurde beschlagnahmt, wie der Sender berichtete. Eine Mitarbeiterin des Senders hatte der Nachrichtenagentur AFP zuvor gesagt, daß ihre Kollegen in einem Hotel in der ägyptischen Hauptstadt aufgegriffen worden seien.
Am Sonntag hatte die ägyptische Regierung Al-Dschasira verboten. Für den in Katar ansässigen Satellitensender galt ein Arbeits- und Empfangsverbot. Al-Dschasira hatte bisher umfassend über die Proteste in Ägypten berichtet. Nach der ­Schließung seiner Büros in Kairo bat der TV-Sender um Unterstützung aus der Bevölkerung. Ägypter sollten Blog-Beiträge, Augenzeugenberichte und auch Videoaufnahmen einreichen, um die Berichterstattung über die Proteste gegen Präsident Hosni Mubarak zu ergänzen. Proteste im Westen hat das repressive Vorgehen gegen den arabischen TV-Sender bis Montag abend nicht ausgelöst.
 
Das permanente Volksfest
Das neue Ägypten entsteht auf der Straße. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo üben die Ägypter die freie Debatte - und entdecken ihren Humor wieder.
In meinem Büro gibt es einen Fernseher und ein Fenster. Beide bilden derzeit höchst unterschiedliche Realitäten ab. Im ägyptischen Staatsfernsehen stehen gerade die neuen Minister Schlange, um vor Präsident Husni Mubarak den Regierungseid zu schwören. Draußen vor dem Fenster ziehen immer wieder Gruppen mit dem Ruf "Stürzt Mubarak!" in Richtung des zentralen Tahrir-Platzes, um dort mit hunderttausend anderen die Innenstadt zu blockieren. Die eine Seite, die im Fernseher, führt ein Rückzugsgefecht nach dem anderen, die andere, die vor dem Fenster, schafft auf den Straßen Fakten.
Seit Tagen sitzen die Soldaten neben dem Ägyptischen Museum in unmittelbarer Nachbarschaft zum Platz der Befreiung, während um sie herum eine Art permanentes Volksfest tobt. Die Soldaten werden dort nicht als Fremdkörper behandelt, sondern stehen mittendrin in den Debatten darüber, wie es mit Ägypten weitergehen soll. Ihre Panzer sind vollgesprüht mit Slogans, die zum Sturz des Regimes aufrufen. Auf dem Platz sind die Soldaten und die Demonstranten schon längst zu einer Einheit verschmolzen. Da wirkt das Bild, in dem Mubarak inmitten der Militärführung sitzt und das stündlich im ägyptischen Fernsehen wiederholt wird, weit, weit weg.
Seit den Morgenstunden ist auch die Polizei zurück. Die meist verhassten Einheiten, die Bereitschaftspolizei und die Männer der Staatssicherheit aber sind weiterhin auf wundersame Weise aus dem Stadtbild verschwunden. Und die Streifen- und Verkehrspolizisten haben den Befehl, sich keiner Demonstration zu nähern und den Tahrir-Platz zu umgehen.
Die Polizei versucht, ihr Image als Beschützer des Regimes abzustreifen. "Aber wir sind doch auch eure Söhne", sagt ein Polizeioffizier völlig verzweifelt, fast weinerlich, als er bei einer der unabhängigen Fernsehstationen anruft. Aber es gibt bei der Imagepflege einiges aufzuholen. Die Geschichten von Polizisten, die in Zivil beim Plündern erwischt wurden, sind inzwischen ins kollektive Gedächtnis eingegangen.
Hier demonstriert keine islamische Sekte
Der in Ägypten geborene Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad hat schon als Jugendlicher gegen das dortige Regime demonstriert. Als die Unruhen ausbrachen, flog er sofort nach Kairo. Er spricht über eine Generation, die anders leben will.