Bambi für Wonni
Revolutionspfarrer Christoph Wonneberger erhält heute den renommierten TV-Preis / Weggefährten freuen sich für ihn
Wenn heute in Potsdam der Fernsehpreis Bambi verliehen wird (20.15 Uhr, ARD), dann bekommt ihn mit Pfarrer Christoph Wonneberger einer der wichtigsten Bürgerrechtler der ehemaligen DDR. Was sagen dazu seine einstigen Weggefährten?
Notiert von Thomas Mayer
Martin Jankowski: "Für mich ist der zierliche Mann Christoph Wonneberger, wenn wir von der Europäischen Revolution 1989 sprechen, einer der ganz Großen. Ansonsten ist er einfach nur ein prima Kerl, ein echter Leipziger eben. Kein Schwärmer, sondern ein gewitzter Realist."
Rainer Müller: "Nach Berufsverbot als Maurer und Entzug meiner Zulassung zum Studium zog ich 1987 nach Leipzig. Mein erster Weg führte mich zu Christoph Wonneberger und zur Lukaskirchgemeinde im Leipziger Osten. Dort in Volkmarsdorf arbeitete ich in der Arbeitsgruppe Menschenrechte mit. Wonni, wie wir den Pfarrer nur nannten, war nicht etwa der Chef der Gruppe, sondern auch einfaches Mitglied. Gemeinsam und gleichberechtigt wurde an Texten zur Menschenrechtssituation in der DDR gearbeitet - ganz anders, als es in manch anderer Kirchgemeinde zu erleben war."
Edgar Dusdal: "Pietistische Frömmigkeit und politisches Engagement, also das, was für andere unüberbrückbare Gegensätze sind, bildeten bei ihm die Stoffe, aus denen dieser Mann gegossen war und ist."
Stephan Bickhardt: "Christoph - wie wir Jugendlichen damals in der Dresdner Weinbergsgemeinde sagten - liebte das Neue. Wir saßen im November 1980 auf einer Ofenbank zusammen und Christoph sagte zu meinem Erschrecken, die DDR sei nicht verteidigungswürdig. So entstanden die ersten Ideen zum Sozialen Friedensdienst. Wer Frieden und Freiheit groß schreibt, der kann viel erleben, zum Beispiel 1989 - mit Christoph."
Uwe Schwabe: "Christoph Wonneberger hat es wie kein anderer verstanden, Gebet und Handeln miteinander zu verbinden. Die Friedensgebetsform, die Wonneberger vorschwebte, war, den Protest gemeinsam zu artikulieren, schriftlich festzuhalten und an konkrete Adressaten zu übergeben. Dadurch wurde Öffentlichkeit hergestellt. Erst sie führte zu den Massenprotesten am Rande der Friedensgebete im Herbst 1989."
Kathrin Mahler Walther: "Christoph Wonneberger blieb nur wenig Zeit, sich über den Niedergang des SED-Regimes zu freuen, geschweige denn, diesen zu gestalten. Am 30. Oktober 1989 erlitt er einen schweren Schlaganfall und verlor auch seine Sprache. Ausgerechnet er, dem die Worte so wichtig waren, der an jedem Flugblatt gefeilt hatte, bis jedes Wort richtig saß. Jahrelang musste er sich nun um sich kümmern, um seine Gesundheit. Die Kirche versetzte ihn - gegen seinen Willen - in den Ruhestand, und sein Beitrag zur Friedlichen Revolution geriet in der offiziellen Geschichtsschreibung fast schon in Vergessenheit. Der Bambi für Wonni freut mich also umso mehr."
Steffen Kühhirt: "Wer im miesepetrigen Drei-Buchstaben-Land nicht Mauerschütze oder mit der Hand an der Waffe gen Freiheit marschieren wollte, der bekam eine Antwort: Sozialer Friedensdienst. Und mehr noch: Er konnte lernen Nein zu sagen. Mit eigener Stimme. So kam ich 1987 zur Lukaskirche Leipzig, zu Christoph Wonneberger und zu Gleichgesinnten. Er war nicht nur der Kopf der Gruppe, sondern auch ein großartiger Denker. Und mehr noch: Im tristen Mauerland gab er uns eine Sprache inmitten verlogener Schweigenszeit."
Katrin Hattenhauer: "Ehre wem Ehre gebührt - wir freuen uns mit Dir über Deinen Preis und erhoffen uns ein späteres gemeinsames Gelage, um mit Dir darauf anzustoßen."
Frank Richter: "Christoph ging immer einen Schritt weiter als andere. Und er nahm uns immer mit, gerade dann, wenn dieser Staat DDR - und auch seine Kirche - uns Steine in den Weg legten und Knüppel zwischen die Beine warfen. Christoph Wonneberger war wirklich dabei. Auch wenn er keine Bücher darüber schrieb."
Frank Pörner: "Christoph Wonneberger war und ist unbequem. Dafür sind ihm alle zu Dank verpflichtet, die den Mut zum Unbequemsein nicht hatten. Wie ich Christoph kenne, braucht er diesen Dank nicht, denn der Antrieb für sein Handeln war seine eigene Überzeugung von dem, was Recht und richtig ist. Wichtig ist, dass mit der Preisverleihung sichtbar wird, dass unbequeme Menschen Vorbilder sein können - auch und gerade wenn der reale Mensch Ecken und Kanten hat. Für weniger ist Veränderung nicht zu haben."
ZUR PERSON
Christoph Wonneberger wurde 1944 als Sohn eines Pfarrers in Wiesa geboren. Er studierte Theologie, es folgten Pfarrstellen in Leipzig-Möckern, Taucha, Dresden. Schon im April 1982 etablierte er an der Dresdner Dreikönigskirche die Friedensgebete. 1985 wurde Wonneberger an die Lukas- kirche Leipzig versetzt. Er übernahm die Koordination der Friedensgebete an der Nikolaikirche. Diese Aufgabe wurde ihm im September 1988 seitens der Kirche entzogen. Die Stasi überwachte den Pfarrer mit den so genannten Operativen Vorgängen "Provokateur" und "Lukas". Auf der am 9. Oktober 1989 erstellten Liste der Stasi der für Isolierungslager bestimmten Personen war der Pfarrer auf dem dritten Platz vermerkt. Am 30. September 1989 erlitt Wonneberger einen Hirninfarkt. Ein mühsamer Prozess der Wiederherstellung war die Folge. Noch während der Phase der Genesung wurde Wonneberger von der Landeskirche in den Ruhestand versetzt.
tom
Quelle: Leipziger Volkszeitung