Im Osten nichts Neues
Magirius: Offizier in besonderem Einsatz an Präsident Mitterands Hoftafel
Seine Exzellenz der Botschafter der Republik Frankreich in der Bundesrepublik Deutschland, Francoise Scheer, gab am 1. März 1995 einen Empfang im Französischen Kulturinstitut Leipzig anlässlich der Überreichung des Ordens OFFIZIER DER EHRENLEGION an Friedrich Magirius. "Diese Auszeichnung würdigt dessen Wirken, vor allem seinen Beitrag zur Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Lyon und Leipzig", verkündete die Presseerklärung des Consulat General de France vom 28. Februar, die den verschämten und hilflosen Protesten ehemaliger Basisgruppenmitglieder gegen die Auszeichnung von Magirius die letzte Spitze nehmen sollte.
Tage vorher war aus einer französischsprachigen Presseerklärung zu entnehmen, daß Magirius mit dem Orden "Legion d'honneur" für sein Wirken für die Friedensgebete in der Nikolaikirche ausgezeichnet werden sollte. Die Bürgerrechtskämpfer und Systemkritikerlnnen Schwabe, Müller, Sonntag, Wolf, Dietrich, Kühhirt, Rudolph, Kloß, Sellentin, Unger, Motzer, Walter, Ludwig und Arnold forderten Magirius in einem "Offenen Brief" auf , "...die Annahme dieser Auszeichnung abzulehnen. Wenn Sie sich Ihrer wirklichen Rolle noch entsinnen können und Ihnen Wahrheitsanspruch und Gewissen nicht fremd sind..., lassen Sie sich nicht für Verdienste 'zum Ritter schlagen', die nicht die Ihren sind", schrieben sie in naiver Bescheidenheit (siehe Klaro März/95).
Weil Papier geduldig ist, ging Magirius darauf in einem "Morgenpost"-Interview ein und antwortete: "Hätte ich abgelehnt, hätte ich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Leipzig und Lyon gefährdet."
Das ist wohl wahr. Wenn Magirius abgelehnt hätte, wären die Franzosen vielleicht sofort einmarschiert. - Doch Leipzig hat sich von der letzten Völkerschlacht noch nicht erholt, geschweige denn vor der letzten Ordensverleihung! - Da mußte Magirius wie gewöhnlich den offiziellen Helden spielen und sich dem französischen Orden mit stolz geschwellter Brust entgegenwerfen. Nachdem im Vorfeld der Auszeichnungsveranstaltung einige Artikel zur Vergangenheit des Superintenden erschienen waren und deutlich wurde, daß Bürgerrechtler wieder einmal demonstrieren würden, wollte das Consulat General de France nicht einmal mehr verraten, um wieviel Uhr die Verleihung über das glitschige diplomatische Parkett gehen sollte.
Systemkritiker Müller bekam von einer sympathischen Dame des Consulates die freundliche Antwort: "Denken Sie, ich gebe Ihnen jetzt Auskunft? Glauben Sie, ich sage Ihnen jetzt die Wahrheit?"
Müller, trainiert im Umgang mit verkrampften Staatsdienerlnnen, fragte nach: "Aber Sie arbeiten doch im öffentlichen Dienst!" Worauf die Dame mit diplomatischem Charme konterte: "Ja, aber im französischen!" und den Telephonhörer auflegte, obwohl Müller gerade die nächste Frage stellte.
Danach gaben die Franzosen die Presseerklärung vom 28. Februar heraus, wonach die protestierwilligen Bürgerrechtler beschlossen, nicht zu demonstrieren, weil aus der Erklärung hervorging, daß Magirius der Orden für gute Städtepartnerschaft verpaßt werden sollte und nicht mehr für seine "guten Taten" im Rahmen des Friedensgebetes. Diese Demonstrationsenthaltsamkeit sollte sich als Fehler herausstellen, auf den die Franzosen spekuliert hatten, um ungestört ihren Zeremonien frönen zu können.
Das taten sie dann auch vor erlesenem Publikum im Institut Francais Leipzig. Der exzellente Botschafter Scheer las aus dem Lebenslauf von Friedrich Magirius vor. Er erinnerte an dessen Arbeit als Krankenpfleger, Vikar und die Verdienste für die Aktion Sühnezeichen. Um Magirius schließlich als "Verantwortlichen für die Basisgruppen" zu loben, einen "der großen Akteure dieser Tage, deren wir uns alle noch lebhaft erinnern". Botschafter Scheer lobte den "Mut", den "ständigen Wunsch nach Frieden" und die "Sorge um die Gerechtigkeit", die Magirius auszeichneten. "Sie bleiben ein Vorbild und Inspirationsquelle. Ohne Taten von Menschen wie Ihnen, wären Deutschland und Europa nicht das, was sie heute sind!", erreichte Scheer den Höhepunkt des diplomatischen Protokollorgasmus".
Magirius bedankte sich mit feuchten Lippen und glückseligem Grinsen, wie es nur langjährige Pfarrer und Schauspieler salbungsvoll einüben und reproduzieren können. "Als zurückhaltender Mensch war ich besonders überrascht, gerade als Pfarrer zum OFFIZIER ernannt zu werden", spielte er den bescheidenen Genießer und brachte all jene Lacher auf seine Seite, die immer für oberflächliche Galanterien empfänglich sind.
Dann sprach er wirkungsvoll das Sprüchlein "Laßt euch versöhnen, ohne die Erinnerung an die Vergangenheit gibt es keine Zukunft", um zu betonen, daß er nach dem Krieg den Entschluß faßte, "nur einem Herrn zu dienen, der unabhängig von allen Gesellschaftsordnungen war". Kein Wörtchen davon, daß sich gerade die evangelische Kirche in der Ostzone als Kirche im Sozialismus verstanden wissen wollte. Kein Wort davon, daß er im August 1988 den Gruppen im Synodalausschuß schriftlich mitgeteilt hatte, daß die Basisgruppen die Friedensgebete nicht mehr selbst durchführen und verkünden sollten. Kein Wörtchen davon, daß er im März 1989 im Gespräch mit Genossen Sabatowska vom Rat der Stadt zuerst seinen Dank "für die maßvolle Begleitung der Dinge durch den Staat" äußerte und nicht genug darüber staunen konnte, wie bei diesen Aktivitäten durch den Staat zugesehen wird. Um danach den unbefriedigenden Zustand zu beklagen, daß man sich mittlerweile als "Tempelpolizei" fühle, da "andere Polizei offenbar nicht handeln kann". Schließlich gab Magirius zu, daß man bereits vermutet habe, daß der Messemontag durch die Westmedien gesteuert wurde und es zu überlegen sei, ob man unter diesen Bedingungen zur Messe überhaupt noch ein Friedensgebet durchführen kann.
Selbstverständlich hat Magirius sein Leben dem Herrn geweiht, doch weihte er es auch jedem irdischen Herrn zu seiner Zeit! Wie es sich für einen Diener des Herrn gehört, bedankte sich Magirius mit einer tieferen Verbeugung vor dem Herrn der Botschaft Frankreichs und dem Herrn der Bürgermeisterei aus Lyon, umrahmt vom großen Schlußapplaus des entzückten Hofstaates.
Dieser Applaus wäre jedoch langanhaltender ausgefallen, wenn die kirchlichen IM "Hagen Trinks", "Orion", "Amos", "Klaus", "Martin", "Werner", "Prager", "Czerny", "Sekretär", "Torsten", die IMB "Karl Erb", "Wilhelm" und "Carl" sowie die IMS "Friedrich" und "Physiker" gleich mit ausgezeichnet worden wären.
Beeindruckend ebenfalls, daß es von zehn Stadträten der Grünen nur ein einziger (zuzüglich einer Fraktionsmitarbeiterin) für nötig hielt, der Auszeichnungsveranstaltung beizuwohnen. Noch nicht einmal der jüngste Stadtrat der Grünen, der in der Parlamentsbank neben Magirius schläft, gab sich die Ehre. Fraktionschef Läßig fehlte ebenfalls unentschuldigt. (Er soll zum Zeitpunkt in der Nikolaikirche den Brief von Magirius heimlich vorgelesen haben, aus dem hervorgeht, daß den Basisgruppen die Gestaltung der Friedensgebete entzogen wird, - ohne daß Magirius diesmal dafür sorgen konnte, daß laute Orgeltöne Läßigs Protest übertönen.)
Die französischen Diplomaten bewiesen anläßlich der Ordensverleihung ihr exzellentes Gespür für den Fauxpas, zum richtigen Zeitpunkt den falschen Mann auszuzeichnen, krönten den Abend aber wenigstens mit einem exquisiten Buffet. Die französischen Revolutionserfahrungen sind eben nicht mehr so frisch, wie der weitverbreitete Irrtum, Magirius habe die Friedensgebete gefördert.
An Pfarrer Christoph Wonneberger, der die Friedensgebete der Basisgruppen tatsächlich gefördert hat und von Magirius drangsaliert, behindert, abserviert und entlassen worden ist, ging die Peinlichkeit vorbei, gemeinsam mit einem Magirius geehrt zu werden, welchem der Ruch des Würgers der Friedensgebete anhängt.
Berühmte Franzosen wie La Fayette, Nerval, Berlioz, Maupassant, Sand, Daumier etc. besaßen den Mut, die Auszeichnung mit dem Orden "Legion d'honneur" abzulehnen, um “sich nicht lächerlich zu machen", "um nicht wie eine Marketenderin auszusehen" oder weil sie "den Frack nicht bezahlen wollten", der für die Verleihung vorgeschrieben war.
Napoleon Bonaparte, der 1802 diesen Orden ins Leben rief, welcher heute die ranghöchste und weitverbreiteste französische Auszeichnung ist (es gibt über 300.000 davon), vergab ihn an Invaliden der Republik, die besondere militärische Verdienste hatten. Einem gewissen Monsieur Schumacher, der an der Grenze der deutschen Territorien erfolgreich für Frankreich spionierte und dafür den Orden der Ehrenlegion verlangte,
verweigerte Napoleon aus guten Gründen die Ehre dieser Auszeichnung, die damals noch einen anderen Wert hatte.
Vivat Napoleon!!! Vivat Frankreich!!!